Springende Fitness - der fragliche Trend

Warum ich gegen diesen Fitnesstrend bin

Warum ich gegen den momentanen Trend- "intensives Trampolinspringen in der Gruppe“- bin!

 

 

Immer wieder werde ich von meinen Mädels gefragt, ob ich den Fitnesstrend mit dem Hardcore Trampolinspringen empfehle. Nun meine persönliche Antwort:

Als Beckenbodentherapeutin beobachte ich dieses irgendwie neumodischen Fitnessangebot mit Skepsis. Anderseits bekommen all meine Kolleginnen dadurch einen Schwung „Neupatientinnen“ und die Physio- Wirtschaft wird angekurbelt (Ok, das war fies und natürlich sarkastisch gemeint)

 

Beginnen wir von der Basis, um es für alle verständlich zu machen. Der Beckenboden ist ein zweischichtiges Geflecht aus Bindegewebe, Muskulatur, Nerven und Gefäßen. Er hat eine tiefe, hintere Schicht und eine äußere, vordere Schicht, die miteinander vernetzt sind. Zusammen schließt diese sogenannte „dynamische Weichteilbrücke“ unseren Beckenraum von unten ab. Der Beckenboden ist ca so dick und groß, wie zwei Hände, die eine Schüssel formen und hängt sich zwischen vier Punkte auf- Der Steißbeinspitze - der Schambeinunterkante und den beiden Sitzbeinhöcker.

 

Die Hauptfunktionen der Beckenbodenmuskulatur sind:

- Den Beckenboden „anzuspannen“, also funktionell den Anus und die Harnröhre zu verschließen.

- Den Beckenboden zu „entspannen“- beim Wasserlassen, beim Stuhlgang, beim Gebären und beim Geschlechtsverkehr.

Diese Funktionen laufen automatisch ab, können aber aktiv unterstützt werden.

- Der Beckenboden muss zudem bei jeder Druckerhöhung reflektorisch gegenhalten und damit die Kontinenz sichern, wie zB beim Niesen, Husten, beim Tragen schwerer Lasten, Lachen und auch beim Springen.

Ein kräftiger Beckenboden schafft das ohne Probleme. (Quelle: Der Beckenboden - Funktion, Anpassung und Therapie - Das Tanzberger-Konzept)

Urinale Stressinkontinenz, also das unfreiwillige Harnlassen nach plötzlicher Belastung, ist leider keine Seltenheit. In meiner Arbeit treffe ich häufig auf junge Mütter, die bei unterschiedlichen Belastungen mehr, oder weniger Urin verlieren. Die Prävalenz einer Inkontinenz liegt bei der „normalen weiblichen Bevölkerung“ bei ca 10-55% (abhängig von Alter und Lebensumstand). Bei Frauen, die Trampolinspringen als Leistungssport betreiben, liegt die Inkontinenzrate bei 80%, obwohl diese oft noch nicht geboren haben. D.h. obwohl der Beckenboden keine äußere Schwächung (wie zB durch eine Geburt) erlitten hat, kann er dem massiven Druck, der während eines Sprunges (bounce) entsteht, nicht standhalten. (Quelle: Zeitschrift von Physio Austria, dem Bundesverband der PhysiotherapeutInnen Österreichs Nr. 5 Dezember 2013)

Daran sieht man, dass das Springen auf dem Trampolin eine sehr starke Belastungen für den Beckenboden darstellt. Das rührt sehr oft daher, dass beim Trampolinspringen die so wichtige aufrechte Körperhaltung nicht eingehalten wird. Gerade bei dem neuen Trendsport ist es Sinn und Zweck durch unterschiedliche Übungen möglichst auszupowern. Füße hoch, in die Grätsche, springen, rechts springen, links springen, laufen, hoch springen, wippen etc. Oft ist dies mit Körpervorneigung verbunden und letztendlicher kompletter Überanstrengung. Dass dadurch das Zusammenwirken des Bauchkapselsystems (Beckenboden, Rückenmuskeln, Bauchmuskeln und Zwerchfell) stark beeinträchtigt sein kann, ist den wenigsten bewusst. Durch die schlechte Haltung kann das System also nicht mehr zusammen agieren und jede Überbelastung wirkt sich direkt und negativ auf den Beckenboden aus. (Quelle: Der Beckenboden - Funktion, Anpassung und Therapie - Das Tanzberger-Konzept, Nach der Geburt - Wochenbett und Rückbildung von Angela Heller)

 

Ich möchte das Trampolinspringen aber nicht ganz schlecht reden, denn es ist bei uns in der Praxis durchaus ein Stresstest. Das Trampolin wird auch manchmal zum Training hergenommen. Achsengerecht, mit stabiler Bauchkapsel und auf dem Fußballen wippend, denn dort finden sich viele Reflexpunkte, die den Beckenboden automatisch aktivieren. (Quelle: Basisausbildung “Beckenbodentherapie nach dem Tanzbergerkonzept)

Zusammenfassend ist also zu sagen:

Der neue Trendsport ist aus beckenbodentherapeutischer Sicht nicht uneingeschränkt empfehlenswert, egal in welchem Zustand der Beckenboden ist. Vor der Geburt, nach einer Geburt und egal wie lange die Geburt her ist. Er wird durch die Art und Weise der Sportart massiv beansprucht und viele Frauen bringen von Haus aus einen bereits geschwächten Beckenboden mit. Das intensive Trampolinspringen verstärkt eine Schwächung noch weiter, oder kann sie sogar hervorrufen- da das Trampolin in dem Sinne selten therapeutisch verwendet wird. (Quelle: Basisausbildung Physiotherapie und Beckenbodentherapie nach dem Tanzbergerkonzept) 

Wieder einmal appelliere ich also an euch, auf eure Gesundheit zu achten. Die Schäden müssen nicht jetzt sofort entstehen, sie können auch erst in ein paar Jahren auftreten und ihr werdet euch dann fragen:

„Wieso trifft es mich?“

 

 

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Kommentare: 6
  • #1

    Schulz (Dienstag, 10 Oktober 2017 23:49)

    Hallo, ich bin ausgebildete Jumping Fitness Trainerin und habe eine sehr gute zweitägige Ausbildung genossen. Was uns dort übermittelt wurde setze ich in meinen Kuresen um und ich habe noch nie solche Aussagen von Teilnehmern gehört wie ihr das hier darstellt � im Gegenteil ich höre immer wieder, mein Rückenleiden ist viel besser geworden, ich habe keine Knieprobleme mehr seitdem ich jumpe, meine Balance hat sich total verbessert usw . Mein Frauenarzt hat mir vor einem Jahr noch voraus gesagt, wenn ich nichts mache bin ich in ein paar Jahren inkontinent. Dieses Jahr hatte ich wieder ein Termin und er hat nur gestaunt und zu mir gesagt, egal was ich mache ich soll es weiter machen und das nur vom Jumping. Wir springen nicht in die Höhe wie bei einem großen Trampolin sondern ziehen unsere Beine zum Oberkörper und das funktioniert nur mit Anspannung der Muskulatur und das wollen wir erreichen, wie bei anderen Sportarten auch.
    VG

  • #2

    Shira (Mittwoch, 11 Oktober 2017 02:53)

    Hallo,
    Als Krankenschwester, Trainer für Fitness und Gesundheit und Jumping Fitness Trainerin auf dem Power Trampolin (und selbst Mutter von erwachsenen Kindern ) bin ich mit deiner scheinbar belegten medizinischen Aussage nicht einverstanden. Durch die speziell Haltung ist der innere Beckendosen stets aktiv und somit im Training. Dadurch verbessert sich enorm dein beschriebenes Dilemma bis dahin dass es ganz verschwindet. Darüber freut jede Frau.
    In den Kursen findet das Training steigernd statt, sodass ein Muskelaufbau und -stärkung mit der Zeit stattfindet und dann wird auch erst richtig losgepowert. Und die immer wieder vielfältigen gesundheitlichen erlebten Erfolge der TeilnehmerInnen, welche bereits über Jahre bei uns mithüpfen belegen unsere Ansatzpunkte und bestärken uns darin, dass wir mit unserem Konzept genau richtig sind.
    Gruß

  • #3

    Simone E. (Mittwoch, 11 Oktober 2017 07:12)

    Hallo Shira, Hallo Schulz!

    Ich möchte euren Sport gar nicht schlecht reden, ich möchte lediglich zur Vorsicht aufrufen. Es ist logisch, dass ihr als Trainer versucht mir das Gegenteil zu beweisen und das verstehe ich auch. Bei Frauen die ein gutes Körpergefühl haben, wo der Körperkern reflektorisch aktiviert wird. Bei Kursen, wo der Kursleiter auf die richtige Ausführung schaut, da mag das Fitnesskonzept eventuell kräftigend sein. Ich bezweifle aber, dass bei einer bereits bestehenden Schwäche, der Beckenboden stabilisiert wird. Denn eine BeBo Schwäche bedeutet nicht nur eine Schwäche im Beckenboden, sondern eine Schwäche im gesamten Rumpfkapsel-System und die behebt man mit diesem Sport definitiv nicht. ;-) Ich sehe Tag ein, Tag aus Frauen unterschiedlichen Alters, die verschiedenste Beckenboden Beschwerden haben. Häufig das Resultat einer zu schnellen intensiven Belastung. Eine kleine Anekdote dazu: Bei meiner Rückbildungsgymnastik (ab 4 Wochen nach der Geburt) kam eine junge Mama zu mir und meinte, dass sie sich für den "Jumping Fitness" Kurs angemeldet hat, der 3 Wochen später began. Sie fragte mich, ob ich ihr das OK gebe. Das war der Auslöser von diesem Bericht. Nein! Ich war klar dagegen. Die Dame war zu dem Zeitpunkt 6 Wochen nach der Geburt und wäre zum Zeitpunkt des Kurses 9 Wochen nach der Geburt. Es interessiert keinen Jumping Trainer, ob die Teilnehmer gerade geboren haben, oder nicht. Es interessiert keinen Jumping Trainier, wie der Zustand des BeBo ist. Ich kenne viele Frauen, die einen Kurs besucht haben und mir davon berichtet haben, dass sie ständig aufs Klo mussten, bzw sich eine extra XL Binde reingelegt haben, um den unfreiwilligen Tropfen vorzubeugen. Das kann nicht Sinn und Zweck sein! Ich möchte, dass man den Trend nicht einfach mit macht, weil er (zugegeben) irrsinnig Spaß macht. Ich möchte einfach darauf aufmerksam machen, dass zuerst die Gesundheit zählt, dann der Spaß. Wer keine gute Körperspannung hat, sollte einen so fordernden Kurs nicht besuchen und das gilt für jeden einzelnen Fitnesskurs auf dieser Welt. Fitness nach der Schwangerschaft ist ein ganz Extrathema, das behutsam angegangen soll... Das ist mein Rat, zwingen tu ich niemanden ;-)
    LG,
    Simone

  • #4

    Antonia (Mittwoch, 11 Oktober 2017 08:51)

    Hallo liebe Simone,

    ich finde es gut und richtig sich neuen Dingen und Trends kritisch gegenüber zu stellen und zu hinterfragen, gerade in der Zeit, in der wir allem unhinterfragt hinterher laufen. Auch deinen Argumenten kontra Trampolin springen im Bezug auf den BB stimme ich zu. Du lässt jedoch völlig außer acht, dass sich deine Quellen und Studien auf Sporttrampolinspringen beziehen. Hier wird mit der Schwerkraft gearbeitet, was ein Vielfaches an Belsatung für den gesamten passiven und aktiven Bewegungsapparat bedeutet. Dies gilt nicht für Jumping Fitness!!! Zur Sprungtechnik für Jumping Fitness gibt es NOCH keine wissenschaftlichen Studien, wie zu fast kaum einer Fitnesssportart. Schau dir doch aber einfach mal die Technik, den Stundenaufbau, das Konzept genau an. Du wirst sehen, dass alle Übungen so ausgeführt sind, dass kaum Schwerkraftlast auf den Körper wirkt, jedenfalls nicht mehr, als beim normalen Gehen oder Hüpfen auf festem Untergrund. Und auch hier weißt du, dass Springen auf festem Boden eine größere Druckbelastung für den a und p Bewegungsapparat (auch BB) bedeutet, als auf weichem Untergrund.
    Und ja! Jeden Jumping Fitness Trainer interessiert es sehr wohl, wann und ob eine Frau entbunden hat, ob Rückbildung stattgefunden hat und (!!!) ihre Hebamme einer Teilnahme an einem Kurs zustimmen würde. Denn genau das lernen unsere Trainer auf dem Basic Seminar. Vermutlich kam die Dame genau deshalb zu dir und fragte nach! Und diese Absicherung des gesundheitlichen Zustands gilt nicht nur für frische Mütter, sondern für jede gesundheitliche Besonderheit, sei es ein künstliches Gelenk, ein Prolaps oder sonstwas, wir besprechen jeden Umgang auf den Ausbildungen. Und ganz richtig, du sagst, egal, welcher Sport, wenn man nach der Schwangerschaft anfängt, heißt es behutsam sein. Das gilt für alle Sportarten und für alle Krankheitsbilder. Deshalb werden unsere Trainer so geschult, dass sie in der Lage sind komplette Anfängerkurse mit leichten Federungen, Balance- und Kräftigungsübungen sowie Fortgeschrittenenkurse mit intensiven Sprüngen (max 4 Songs mit Bridges= max 8 min intensive Sprünge in der gesamten Stunde beim Fortgeschrittenen) zu unterrichten. Wir bilden sie ebenso dahingehend aus, dass sie in einem heterogenen Kurs binnendifferenziert arbeiten und entsprechende Bewegungsalternativen anbieten können. Ich schlage vor, du besuchst einfach mal einen unserer Anfängerkurse und überzeugst dich selbst.

    Sportliche Grüße, Antonia

  • #5

    Renate (Mittwoch, 11 Oktober 2017 09:34)

    Ich bin 57 Jahre und seit 2 Jahren ausgebildete Jumping-Fitness-Trainerin. In diesem Alter ist Blasenschwäche durchaus ein Begriff. Seit zwei Jahren gebe ich nun 4 Stunden Jumping-Fitness in der Woche und erfreulicherweise haben sich verbessert, sodass ich so gut wie keine mehr habe. Natürlich muss man auf richtige Haltung, richtigen Bewegungsablauf usw. achten, aber das muss man bei jeder Sportart, da sonst jede Sportart zu Problemen führen kann. Beim Joggen gibt es dann Gelenkprobleme, Zumba ist fürs Knie nicht gut uns kann man weitermachen bis kein Sport mehr übrig bleibt. Und da sind wir ja wohl alle einig besser ein Sport bei dem ausgebildete Trainer/innen auf die Teilnehmer achten als gar kein Sport bzw. Sport der ohne richtige Anleitung falsch gemacht wird. Viele Grüße Renate

  • #6

    Simone E. (Mittwoch, 11 Oktober 2017 12:25)

    Danke für eure sachlichen Beiträge! Ich habe heute mit meinen Kursteilnehmerinnen über das Thema gesprochen. Alle mindestens 8 Monte nach der Geburt. Zwei waren schon in einem "Jumping Kurs" und beide meinten, dass es so heftig auf den Beckenboden geht, dass sie wirklich nur ungern zu dem Kurs gegangen sind und es eher mit einem Unwohlsein zu Ende gebracht haben. Ich denke es steigt und fällt mit der/m Kursleiter/in. Fakt ist aber, dass Mütter unter 6 Monaten (wenn nicht sogar unter 1Jahr) in dem Kurs eigentlich nichts zu suchen haben. Denn es fehlt einfach das notwendige Zusammenspiel des Bauchkapselsystems (Ausnahmen bestätigen die Regel, aber solange nicht jeder Beckenboden vor dem Kurs auf Stabilität getestet wird, ist das schlicht zu "gefährlich") Die Rückbildung ist erst mit 6/7 Monaten abgeschlossen, bei manchen Frauen dauert der Prozess noch länger (abhängig von der Stilldauer), vorher Sportarten wie eben Jumping/Joggen/Zumba/Gewichteheben etc zu machen ist kontraproduktiv und führt langfristig zu Spätfolgen (auch teilweise Jahre danach). Ich rate allen meinen Damen, dass sie Sport nach der Geburt machen sollen. Aber erst frühestens 12 Wochen danach (und das ist früh angesetzt) und eben gezielten Sport, ohne Bauchdruckerhöhung und konsequentem Aktivieren der Rumpfkapsel. Sanfte Fitness, Schwimmen, ... Das System muss wieder lernen zusammen zu arbeiten. Beim Jumping (Joggen, Springen, Zumba, ... ) muss das System schon sehr gut funktionieren, dass es den Druck abwehrt der zwangsläufig entsteht. Ja, das Trampolin hat einen anderen Boden, lass es zurückfedernd sein, die Druckerhöhung im Bauchraum ist dennoch da und die Überanstrengung auch und das in Kombination mit einer schlechten Haltung, die durch die Stange vorne entsteht, geht direkt auf den Beckenboden. Ich werde den Kurs gerne testen und mein eigenes Bild machen, ja! :-)